Berlin ist ein Hotspot für trendige und spaßige Nischen-Sportarten, die nicht nur gut für die Lachmuskeln sind, sondern auch als Workout taugen: zum Beispiel Headis, Jugger oder Hula ’OlapaTeil 2 unserer schrägen Auswahl
TEXT Sabine Hölper
1 Headis
Vom Fußball kennt man es, dass der Ball häufig auch geköpft wird. Aber beim Tischtennis … ? Ja, auch da! Die Idee stammt vom ehemaligen Sportstudenten René Wegner. Da der Fußballplatz in einem Kaiserslauterer Freibad belegt war, ging er zur Tischtennisplatte – und spielte den Ball per Kopf über das Netz. Kurze Zeit später war die Sportart Headis geboren. Zentrales Equipment ist die Tischtennisplatte, dabei ist das Netz fest. Die beiden Spieler benutzen auch keine Kellen, sondern ausschließlich ihren Kopf. Der Plastikball ist größer als das Tischtennis-Bällchen.
Obwohl Stefan Raab zwei „TV Total Headis Spezial“-Sendungen ausgestrahlt hat, ist die Sportart noch nicht in der Breite angekommen. In Berlin bietet ihn nur die Technische Universität (TU) an. Laut Oliver Thomaschewski, Sports Manager an der TU Berlin, stehen die regelmäßig stattfindenden Kurse aber auch Externen offen. Vorkenntnisse, sagt Thomaschewski, brauche man nicht: „Das Spiel ist, wie Tischtennis, schnell zu erlernen.“ TU-Übungsleiterin Vera Brand sagt, dass sich Headis-Begeisterte bei gutem Wetter außerdem zwanglos draußen treffen, etwa im Tiergarten oder im Gleisdreieck-Park. „Wer Interesse hat, kann einfach vorbeischauen und probeweise mitmachen.“
2 Flag Football
Flag Football ist die kontaktlose Variante von American Football. Beide Sportarten vereint das Ziel mittels Passen und Laufen den ovalen Ball, das sogenannte Lederei, in die gegnerische Endzone zu bringen. Anstatt zu tackeln muss die verteidigende Mannschaft versuchen, den Angreifern eine der an ihren Gürteln befestigten Flaggen aus dem Halter zu ziehen. „Dadurch, dass jeglicher Kontakt per Regel verboten ist, spielen Größe und Gewicht der Aktiven eine untergeordnete Rolle“, sagt Kai Schröder, Flag-Beauftragter beim American Football und Cheerleading Verband Berlin / Brandenburg e. V.
In beiden Bundesländern gibt es insgesamt rund 350 Flag-Spieler in 16 Jugend- und acht Erwachsenen-Teams in Vereinen wie etwa Berlin Adler oder Berlin Kobras. Die Teams sind gemischt-geschlechtlich, sie spielen von April bis Oktober draußen, in der restlichen Zeit in Sporthallen. Die „Seniors“ (ab 16) spielen bundesweit in Turnieren bis zur Deutschen Meisterschaft, ebenso international. „Wegen der wachsenden Attraktivität wird die Deutsche Flag Football Liga (DFFL) ab 2023 in 1. und 2. Bundesliga geteilt“, sagt Schröder. Außerdem stünden aktuell Überlegungen an, Flag Football bei der Sommer-Olympiade 2028 in Los Angeles zu integrieren.
3 Fliegen im Windkanal
Fliegen ist ein Menschheitstraum. Leider wird er uns verwehrt. Nur Fallschirmspringer im freien Fall erleben, was es bedeutet, in der Luft zu schweben. Und seit einigen Jahren auch jene, die sich in einen Windkanal begeben, zum Beispiel bei Windobona Indoor Skydiving Berlin oder in der Hurricane Factory Berlin in Schönefeld. Letztere bietet nach eigenen Angaben den größten Windkanal Deutschlands. Die rundum verglaste Röhre hat einen Durchmesser von mehr als fünf Metern. In ihr können Kinder ab fünf Jahren fliegen. Der Spaß dauert nur drei Minuten und kostet 99 Euro – aber das Erlebnis ist einzigartig. Schon Anfänger heben mit etwas Geschick alleine in die Lüfte ab, mit Unterstützung des sogenannten Instruktors gar bis zu 14 Meter hoch. Man ist also nicht auf sich allein gestellt. Der Instruktor begleitet den Flieger in die Windröhre, hält ihn, gibt Tipps, wie man den Körper ausrichten sollte, um so frei und hoch wie möglich zu fliegen. Nach einer kurzen Pause geht es in die zweiten Runde, wieder in Begleitung. „Doch dann ist der Flieger schon versierter und kann womöglich bereits kleine Flugmanöver ausprobieren“, sagt Yvonne Ulmen von der Hurricane Factory Berlin. Am meisten Spaß macht die Fliegerei gemeinsam mit Freunden oder Kollegen, zum Beispiel im Rahmen einer Firmenveranstaltung. Das ist spannender als die übliche Weihnachtsfeier – und definitiv bodenloser.
4 Hula ’Olapa
Viele träumen vom fernen Hawaii. Wer sich die Kultur der Inselkette im Pazifik ins heimische Wohnzimmer holen und sich zudem auspowern möchte, sollte einen Hula ’Olapa-Kurs buchen. Die Hulaschule Halau Hula Makahikina bietet ihre Trainings aus Sicherheitsgründen auch in diesem Jahr vor allem online an. Man braucht also nur einen Internetzugang. Ein Reifen hingegen wird nicht benötigt. Denn Hula Hoop hat mit der traditionellen hawaiianischen Sportart, abgesehen vom Hüftschwung, nur wenig gemeinsam. Hula ’Olapa basiert laut Hula Makahinika-Inhaberin Monika Lilleike auf Kampfkunst wie Karate oder Thai Chi, kombiniert mit tänzerischen Elementen. „Es ist ein kraftvolles Training, baut Fitness, Ausdauer und Konzentration auf und spricht außer dem Körper auch den Geist und die Seele an“, sagt die Bühnenkünstlerin und Tänzerin Lilleike, die fünf Jahre lang auf Hawaii gelebt und dort außereuropäisches Theater studiert hat.
Ihr Studio ist eines der ganz wenigen, das die exotische Sportart lehrt. Interessierte ohne Vorkenntnisse können eine Probestunde vereinbaren. Ab Anfang Oktober findet bis Anfang Dezember ein neuer Kurs statt. Sowohl Frauen als auch Männer sind eingeladen, die Gestensprache des Hula zu erlernen.
5 Kubb
Kubb ist ein skandinavisches Holzwurfspiel. Dabei treten sich zwei Mannschaften von je bis zu sechs Personen auf einem Spielfeld, das ein Schlachtfeld symbolisieren soll, gegenüber und versuchen die rechteckigen Holzklötze, genannt Kubbs, des anderen Teams mit runden Wurfhölzern zu treffen. Zuletzt muss der König zu Boden gebracht werden. In vielen Berliner Parks kann man Menschen jeden Alters bei dem bouleähnlichen Wurfspiel zusehen. Eine Spiele-Set kostet, selbst in guter Qualität aus dem Holz des Gummibaums, unter 50 Euro. Da kann man sich als Neugieriger leicht einmal ausprobieren.
Wer Gefallen findet, Geschick beweist und in der Gemeinschaft auch Turniere spielen möchte, kann sich einer der wenigen Berliner Vereinigungen anschließen, etwa den Gipfelstürmern, der Kubb-Abteilung des Vereins Ostkreuz ’98 e. V. oder den Kubbfreunden Durstiges Holz Berlin e.V.
Heiko Kreuzburg, der für die Gipfelstürmer spielt, richtet zum Beispiel die Kubb-EM aus. Ende Juli fand sie zum zwölften Mal im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg statt – mit knapp 50 Teams aus mehreren Ländern. Im schwedischen Gotland wird dann jährlich die Weltmeisterschaft ausgetragen. „Unsere Mannschaft hat den Titel schon drei Mal geholt“, sagt Kreuzburg. Gespielt wird bis in den späten Herbst hinein, Hartgesottene treten im Winter auf Schnee an.
6 Floorball
Floorball ist, ein bisschen populistisch formuliert, Eishockey ohne Eis und Schlittschuhe. Das klingt, zugegeben, wie Pizza Funghi ohne Pilze. Also, etwas genauer: Floorball, auch Unihoc genannt, ist eine Variante des Hallenhockeys, das mit Sportschuhen in üblichen Hallen gespielt wird. Statt dicker Schutzausrüstung tragen die Spieler ein Sportdress wie etwa beim Fußball. Auch kommen weder Hartgummi-Puck noch Eishockey-Schläger zum Einsatz, sondern spezielle Floorball-Schläger und ein sogenannter Lochball aus leichtem Kunststoff. Gespielt wird entweder auf dem Kleinfeld mit drei Spielern und einem Torwart oder auf dem Großfeld mit fünf Spielern und einem Torwart. Frauen und Männer spielen getrennt, außer im Schulsport, sagt Adrian Mühle, Präsident des Floorball Verband Berlin-Brandenburg e.V., „wo Mädchen und Jungs gemeinsam auf dem Platz sind“.
Die Regeln sind ans Eishockey angelehnt: Es gibt einen Reihenwechsel und Strafzeiten, dadurch entstehen spannende Spielsituationen wie Überzahl- und Unterzahlspiel. Auch die Möglichkeit, hinterm Tor zu spielen, ist beim Floorball gegeben.
In Berlin und Brandenburg kann man in rund 20 Vereinen Floorball spielen, der größte Berliner Club ist der Bundesligist Berlin Rockets e.V.
7 Touch Rugby
Wer Rugby mag, aber den harten Körperkontakt scheut, ist wahrscheinlich beim Touch Rugby gut aufgehoben. Die Wurzeln der Sportart liegen im Rugby, es wird auch grundsätzlich nach Rugbyregeln gespielt. Laut Emily Lux, Kassenwartin bei Touch Rugby Berlin, stehen aber Schnelligkeit und Taktik im Vordergrund. Auf Tackling wird verzichtet. Um den Angriff des ballführenden Teams zu unterbrechen, genügt es, den Spieler mit dem Ball in der Hand zu berühren. Lux engagiert sich seit Jahren bei der Turngemeinde in Berlin 1848 e.V. (tib) für die aus Australien herüber geschwappte Sportart. „Dort ist er sehr populär, hier fristet er ein Nischendasein“, sagt sie. Der tib ist der einzige Verein in Berlin, in dem man Touch Rugby spielen kann. Etwa 50 Sportler trainieren regelmäßig am Columbiadamm. Diese aber sind ambitioniert. Sie nehmen das ganze Jahr über an etlichen Turnieren in ganz Europa teil, außerdem an der Deutschen Touch Rugby Meisterschaft. Zudem richtet der Verein den „Capital Cup“ in Berlin aus. Dennoch sind Interessenten ab etwa 14 Jahren auch ohne Vorerfahrung willkommen, die Sportart, die in gemischten Frauen- und Männerteams gespielt wird, einmal auszuprobieren.
8 Jugger
Wer manchmal auf dem Tempelhofer Feld unterwegs ist, hat sie vielleicht schon einmal gesehen und sich gefragt: „Was, gütiger Himmel, ist denn das?“ Das ist Jugger, eine Sportart, die durch den Endzeitfilm „Die Jugger – Kampf der Besten“ aus dem Jahr 1989 entstanden ist.
Jugger verbindet Elemente aus Sportarten wie Fechten und American Football. Es ist ein taktischer, technisch anspruchsvoller und schneller Sport. Ziel des Spiels ist es, den Ball (Jugg) aus der Mitte zu erobern und den eigenen Läufer auf dem Weg zum Tor, genannt Mal, zu schützen. Dazu sind die restlichen Spieler mit Pompfen ausgestattet, mit denen sie ihre Gegner abschlagen können. Pompfen sind etwa 1,80 Meter lange gepolsterte Stäbe oder 3,20 Meter lange Ketten. Wer getroffen wurde, kniet sich hin und scheidet für einige Sekunden aus.
Wer Interesse an der Sportart hat, wendet sich am besten an Jugger e.V., den ältesten und einer der größten Juggervereine der Welt. Er ist die Dachorganisation für mehrere Berliner Teams und betreibt auf dem Tempelhofer Feld das erste offizielle Juggerfeld der Welt. Außerdem richtet er jährlich den Berliner Juggerpokal aus und organisiert internationale Großturniere.