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Von Elisabeth Binder
Wo macht man Abstriche, wenn der Jobstressig ist und die Familie Aufmerksamkeit verlangt?
Viele Frauen fahren dann das Netzwerken runter, weil sie es am ehesten für verzichtbar halten. „Ganz falsch“, sagt die neue VBKI-Geschäftsführerin Claudia Große-Leege. Männer-Netzwerke gibt es seit Jahrhunderten, auch Fußballgehört dazu. Frauen vernetzen sich erst seit rund 20 Jahren, und sie unterschätzen oft noch, wie bedeutsam das für die Karriere und den Erfolg des eigenen Unternehmens ist.
Das erklärte Ziel des vor 140 Jahren gegründeten Vereins, jünger, weiblicher und diverser zu werden, könnte sich positiv auch auf den Werdegang vieler Unternehmerinnen in Berlin auswirken. Schon in den letzten zehn Jahren hat sich der Anteil der Frauen unter den Mitgliedern verdoppelt auf über 20 Prozent, auch die Ernennung von Claudia Große-Leege zur Geschäftsführerin ist Teil dieser Entwicklung. Nach Stationen bei der EADS und bei Südzucker war sie dann sieben Jahre lang Geschäftsführerin des Verbandes der Unternehmerinnen. Von ihrer Tätigkeit im Development von C/O Berlin brachte sie die Leidenschaft für alles Kulturelle mit in den VBKI, wo sie sich bereits vor zehn Jahren ehrenamtlich im Kulturausschuss engagierte. Die Arbeit dort empfand sie von Anfang an als sinnstiftend, weil „viele kleine Institutionen mit Beratung, Geld und Kontakten unterstützt werden“. Hier werde keine klassische Lobbyarbeit betrieben, sondern echtes Engagement: „Die Kaufmannschaft tut etwas für die Stadt.“
Soziale Medien vernetzen nur scheinbar schneller
Unter den Neumitgliedern liegt der Frauenanteil schon bei einem Drittel. Es sind mehr und mehr Gründerinnen von Start-ups, denen es nicht in erster Linie darauf ankommt, eine innovative Idee umzusetzen und schnell mit Gewinn weiterzuverkaufen. „Frauen legen Wert auf Nachhaltigkeit“, hat Claudia Große-Leege beobachtet. „Sie denken unternehmerisch und langfristig.“ Im Hinblick auf die Führungsspitzen etwa von Stadtreinigung und Verkehrsbetrieben sei Berlin vorbildlich. Die langjährige BVG-Chefin Sigrid Nikutta hat beim VBKI den Q&A-Lunch für Frauen etabliert. „Man knüpft dort schneller an, findet einfacher einen Zugang“, erklärt Große-Leege. Auch das VBKI-Präsidium sei mit erfolgreichen Frauen wie Verena Pausder, Sigrid Nikutta, Stefanie Bschorr und Andrea Grebe schon sehr gut besetzt.
Die Probleme beim Netzwerken kennt sie: „Es funktioniert nicht auf Anhieb. Man braucht Geduld und Zeit.“ Erst wer sich über einen gewissen Zeitraum aktiv einbringt, profitiert. Die Effizienz könne man nicht messen, deshalb wirke Netzwerken leicht wie Luxus, auf den man verzichten kann. Die „enorme Verweildauer im VBKI“ wertet sie aber als Zeichen, dass der Wert der Netzwerke sich herumspricht, auch bei jüngeren Frauen. Generell sollen jüngere Unternehmer auf die Möglichkeiten des Vereins aufmerksam gemacht werden. Die Schwellen sind offensichtlich. Soziale Medien bieten scheinbar schnellere Vernetzung. Junge Leute scheuen oft längerfristige Bindungen, engagieren sich lieber spontan und projektweise. „Manches erschließt sich erst im Berufsleben“, sagt Große-Leege. „Oft erkennt man erst hinterher, was man anfangs gebraucht hätte.“ Da sei es gut, dass gerade große Unternehmen oft gezielt ihre jüngsten Führungskräfte in den VBKI schicken. Für diesen Kreis gibt es sogar einen eigenen Ausschuss, von dem wichtige Impulse kommen, zum Beispiel im Hinblick auf Künstliche Intelligenz oder Podcasts. Besonders fruchtbar wird es, wenn junge Gründer von Start-ups mit dem etablierten Unternehmertum zusammengebracht werden, wenn ungebremster Ideenreichtum auf Erfahrung trifft.
Auch das Ziel, diverser zu werden, ist auf gutem Weg. Seit drei Jahren werden Flüchtlinge in Berliner Unternehmen vermittelt, zuletzt an die Code University in Friedrichshain. Große-Leege ist sehr optimistisch, dass Diversität im Verein erreichbar ist. „Berlin ist ein Melting Pot.“ Sie erinnert an frühere Zuwanderer wie Hugenotten oder Polen, die sich gut integriert haben. Unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Alter: Der VBKI will für alle offen sein, die etwas unternehmen, die Stadt voranbringen und etwas zurückgeben wollen.