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Von Kevin P. Hoffmann
Herr Voigt, wie groß ist der Corona-Schaden für die Berliner Wirtschaft?
Es ist zu früh für eine abschließende Bilanz, auch weil die Pflicht zur Anmeldung der Insolvenz ja weiterhin ausgesetzt ist. Ich glaube, wir werden noch einige schlimme Folgen sehen. Vor allem wegen Berlins großer Abhängigkeit vom Tourismus. Das betrifft die Gastronomie, Hotellerie und das Messegeschäft. Ich mache mir auch große Sorgen um die Einkaufsstraßen und Ausgehviertel.
Bund und Länder haben doch milliardenschwere Hilfsprogramme aufgelegt.
Aber ein wirksames Programm für Mittelständler hat gefehlt. Sie mussten mitunter auch sehr lange auf Zahlungen warten - was allerdings maßgeblich am Bund lag. Zudem hatte ich das Gefühl, dass der Berliner Senat die Hilfen ein wenig zu breit gestreut hat. Das mag zu Beginn der Krise richtig gewesen sein. Nun aber brauchen wir ein Wiederaufbauprogramm für die, die unmittelbar betroffen sind. Es wäre im Interesse aller Berliner, dass die vom Tourismus abhängigen Bereiche wieder voll funktionieren. Das betrifft auch Zulieferer und Dienstleister rund um Veranstaltungen - und den Kulturbereich.
Hier beteiligt sich der VBKI an der Initiative „Hier spielt die Musik“. Warum?
Weil wir festgestellt haben, dass gerade Musikerinnen und Musiker durch Corona häufig durch das Raster der Hilfen gefallen sind. Mit der Initiative wollen wir einerseits konkrete finanzielle Hilfe leisten, andererseits aber auch generell auf die großen Probleme aufmerksam machen, unter denen der nicht staatlich subventionierte Kulturbereich in Berlin coronabedingt leidet.
Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement der Politik insgesamt?
Was Impfstoffbeschaffung angeht, kann ich viele Entscheidungen schlicht nicht verstehen. Auch bei der Verteilung gibt es noch Optimierungsbedarf. Und dass Gesundheitsämter Fallzahlen noch per Fax übermitteln, hätte man in einer hochtechnisierten Industrienation nicht für möglich gehalten. Die Politik hätte die Wirtschaft früher einbinden sollen, auf Landes- wie auf Bundesebene. Insgesamt hat die Krise gezeigt, wie sehr Deutschland durch bürokratische Schwerfälligkeit, aber auch durch Neiddebatten ausgebremst wird. Es wird höchste Zeit für echte Reformen. Es muss etwas passieren, sonst ist die Stellung Deutschlands im internationalen Wettbewerb ernsthaft in Gefahr.
Wie lässt sich die Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg verbessern?
Die Wirtschaft leidet darunter, dass die beiden Länder im Wettbewerb stehen und teils sogar im Ausland versuchen, sich getrennt voneinander zu profilieren. Berlin und Brandenburg sind eine Metropolregion. Ich wünschte, wir würden als Bundesland zusammenwachsen, damit wir eine Chance haben, Stadtentwicklung und Wirtschaftsentwicklung über die Landesgrenze hinaus zu denken. Als Realist rechne ich nicht mit einer Länderfusion in den kommenden zehn Jahren, erwarte aber von einer neuen Berliner Landesregierung mehr als nur das Bekenntnis zu gemeinsamen Planungsausschüssen.
Wie hat der VBKI die Pandemie erlebt – viele Mitglieder schätzten ja besonders die persönlichen Begegnungen?
Unterschiedlich: Bei unseren Präsenzveranstaltungen – sicherlich eines der Markenzeichen des VBKI – sind wir hart getroffen, viele Events wurden abgesagt oder verschoben. Wir planen zwar noch weiter für unseren Ball der Wirtschaft am 2. Oktober. Meine Hoffnungen, dass er tatsächlich stattfinden kann, sind aber Stand heute eher gering. Wir bräuchten dafür schon bald eine Lage, die eine Genehmigung von Veranstaltungen im Innenbereich mit 2500 bis 3000 Menschen ermöglicht. Drücken Sie uns die Daumen!
Wie liefen ihre Netzwerktreffen?
Besser, es ist uns gelungen, komplett auf virtuelle Treffen umzustellen. Das ist sehr gut angenommen worden, allerdings haben diese Formate die Schwäche, dass man zwar Kontakte pflegen, aber schlecht neue Leute kennenlernen kann. Stark belastet war auch unser gesellschaftliches und soziales Engagement. Es ist ja klar, dass wir bei einem Projekt zur Integration von Flüchtlingen kaum weiterkommen, wenn Partnerfirmen gerade ums Überleben kämpfen. Auch unsere Lese- und Lernpaten konnten nicht an die Schulen gehen.
Trotzdem lief Ihr Betrieb weiter.
Ja, so wie viele Restaurants die Zeit für Sanierungen genutzt haben, hat auch der VBKI sich neu aufgestellt. Ich möchte unserer Geschäftsstelle ein großes Kompliment aussprechen, weil sie so viele Formate wie „CEOs for Berlin“ oder die Befragung der Berliner Spitzenkandidatinnen und -kandidaten in so hoher Qualität und Regelmäßigkeit digital umsetzt hat – und das bei einem Geschäftsführerwechsel. Alle brennen jetzt darauf, dass es wieder losgeht, erst mit Hybridveranstaltungen und – sobald es möglich ist – auch wieder mit Präsenzformaten.
Angenommen, der Ball der Wirtschaft findet doch statt. Was glauben Sie, welche oder welcher Regierende Bürgermeisterin oder Bürgermeister wird dann neben Ihnen am Tisch Platz nehmen?
Das entscheiden die Wählerinnen und Wähler im September. Ich kann nur jedem empfehlen, diesmal wirklich die Wahlprogramme zu lesen. Ich habe dabei schon einige Überraschungen erlebt.