Jam Skate Club in Berlin: Rollerskating im Trend dank der Rolling-Queen Oumi Janta

TEXT Sabine Hölper

An einem kalten Sonntag im Februar entschließen wir uns für Sport und Spaß. Ein bisschen waghalsig ist Rollschuhfahren, vor allem wenn man längst aus der Übung ist. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. 

Also brechen meine Tochter und ich auf nach Kreuzberg, in die adidas Runbase. Heute bietet der Jam Skate Club eine seiner wenigen ,free sessions" an. Jeder, der Lust (und sich vorher angemeldet hat), nimmt kostenlos an der dreistündigen Rollerskate-Disco teil. Zu Hits aus mehreren Jahrzehnten fahren locker 50 Leute jeglichen Alters durch die Halle am Schleusenufer. Wenige Anfänger sind darunter, sehr viele Könner, die Pirouetten drehen, auf die Knie gehen, Tanzschritte machen.

Die Autorin hatte eigentlich vor, nur zuzuschauen - den vielen Talenten und der eigenen Tochter. Aber irgendwann wurde das Rumsitzen in der zugigen Halle zu kalt. Also: Angst überwinden, die Rollschuhe anziehen und langsam loslegen. Die Knie schlotterten, das Hirn sagte: „Ja nicht stürzen, kein Interesse an einem gebrochenen Arm inklusive Krankenhaus." Die Beats aber riefen: „Mach schon. Es wird Dir gefallen." Um es vorwegzunehmen: Die Lust, auf Rollen dahinzugleiten, überwog. Die Autorin hat vier Runden gedreht. Sie ist nicht hingefallen, sie genoss das Gleiten. Sie überlegt, den Sport aus der Jugendzeit wieder aufzunehmen. Er ist einfach großartig.

Wer mittelalt ist, erinnert sich vielleicht: Früher fuhr man mit Rollschuhen, die man um den Straßenschuh herum schnallte. Welche Freude, als dann die Disco-Roller aufkamen und in den 1980er Jahren zum Massenphänomen wurden: ein knöchelhoher Schuh, an dem die Rollen und ein Stopper befestigt waren. Damit konnte man schnell und gewagt sogar um Kurven biegen und steile Hänge hinabsausen. Es war Geschwindigkeitsrausch pur. Doch irgendwann verschwanden die Rollschuhe in den ewigen Jagdgründen. Die Kinder und Jugendlichen entdeckten andere Freizeitaktivitäten. Oder fuhren Inlineskates.

Bis die Pandemie kam und alles lahmlegte - und Oumi Janta im Sommer 2020 über Nacht berühmt wurde. Mit ihren Rollschuhtänzen. Die Berlinerin mit senegalesischen Wurzeln lud ein Video ihrer Performance auf Instagram hoch. Man sieht sie dort im Freien und zu Musik auf ihren Rollschuhen tanzen. Mehrere Stars wie Beyoncé oder Alicia Keys teilten das Video - es verbreitete sich fortan viral.

Von heute auf morgen war die heute 31-Jährige ein Star mit Millionen von Followern. Seither wächst die Zahl der Rollerskater wieder. Ein dreistündiges kostenloses Event wie das in der adidas Runbase ist sofort, nachdem es angekündigt wurde, ausgebucht. Auch die Stunden, am gleichen Ort, die bezahlt werden müssen, sind stets voll. Oumi Janta sagt, dass im Jam Skate Club mehr versierte Trainer gebraucht würden, um weitere Klassen anbieten zu können. Die Nachfrage sei riesig.

Ein Grund dafür ist, dass es in Berlin (anderswo ebenso) kaum Angebote gibt. Rollschuhfahren ist zwar im Trend, aber dennoch eine Nische. Lediglich im Kreuzberger Club SO 36 findet ein bis zwei Mal im Monat eine Rollerdisko statt. Nachmittags für Kinder, abends ab 19 Uhr für Erwachsene. 

Zwar kann man auch vor der Haustür oder, sofern die Nachbarn lärmunempfindlich sind, zu Hause in der Wohnung üben, auf vier Rollen und zwei Achsen von A nach B zu kommen oder gar eine Drehung hinzubekommen. Aber: Die Berliner Gehwege sind nicht gerade glatt - was die Sache verkompliziert. Außerdem macht das Fahren in der Gemeinschaft - zumal mit Musik - doppelt so viel Spaß. Und Anweisungen zu bekommen, sind bei einer Sportart, die laut Oumi Janta, „nicht ganz risikolos ist", nicht verkehrt. Wer ,,zu schnell oder zu übermütig ist, bricht sich im schlimmsten Fall den Arm", sagt sie. „In unseren Klassen achten wir darauf, den Rollschuh-Anfängern beizubringen, dass sie Schritt für Schritt vorgehen sollten." Dann klappt es eines Tages auch. Mit gutem Willen und etwas Talent wird man richtig gut.

Oumi Janta spricht aus Erfahrung. Sie wurde auch nicht auf Rollschuhen geboren. Trotzdem ist sie heute die unangefochtene Königin, sitzt in Talkshows, hat vor zwei Jahren die angehenden Mannequins bei ,,Germanys Next Topmodel" gecoacht, besitzt Werbeverträge mit hochklassigen Modefirmen wie Bottega Veneta und jagt von Termin zu Termin. Bei der freien Stunde am Schleusenufer sieht man sie nur einmal kurz in der Halle - wie sie, auf Straßenschuhen, schnell etwas Wichtiges erledigt. Ähnlich verlief der Videocall wenige Tage zuvor. Sie fragte, ob sie das Gespräch etwas früher als vereinbart beenden könne. Sie habe noch Termine.

Oumi Janta hat Stress. So viel Stress, dass sie zeitweise sagte: „Es reicht. Ich bin über Nacht berühmt geworden. Da kommt die Seele nicht hinterher." Mittlerweile geht es ihr gut, auch weil die Rollschuh-Community so sympathisch ist. Das kann man im Übrigen an diesem Nachmittag in Kreuzberg sehen: Lauter fröhliche Menschen fahren umher, viele sind sehr cool und farbenfroh gekleidet. Auch die Rollschuhe, teils mit leuchtenden Rollen, machen Eindruck.

,,Tanzen auf Rollen hat eine besondere Qualität“, erklärt Oumi Janta die gute Laune der Leute. „Der Mensch ist gerne auf Rädern oder Rollen unterwegs, deshalb lieben die Menschen ja auch Fahrrad- oder Autofahren", sagt sie. Und deshalb ist sie auch nach ihren ersten Versuchen auf den Rollerskates dabeigeblieben, obwohl sie anfangs „versteift" auf den rollenden Untersätzen stand. Ihr Ehrgeiz beflügelte sie, sich zu lockern, mehr zu wagen, besser zu werden.

Plötzlich spürte sie Muskeln, wo sie kaum welche erwartet hätte, etwa in den Füßen. Sie erlebte, wie die Beine muskulöser wurden, der Bauch, der Po. Sie liebte ihren neuen Sport, der anfangs nur als Ausgleich neben ihrer Arbeit als Industriedesignerin gedacht war. Irgendwann kündigte sie ihren Job, machte dies und das, vor allem aber fuhr sie Rollschuhe. Bis sie so gut war, dass sie - aus Spaß - das Video postete. Der Rest ist Legende. Oumi Janta hat das Rollschuhfahren in Berlin etabliert. Zahlreiche Menschen folgen ihr, einige davon steigen in die Skates und versuchen ebenfalls ihr Glück auf vier Rollen.

JAM SKATING

Orte, wo man entspannt Rollschuh fahren kann:
jamskateclub.com
so36.com