Vernichtende Bilanz
NACHHALTIGKEIT

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Trotz neuer Gesetze zerstören viele Konzerne weiterhin Retourwaren. Doch den Behörden sind die Hände gebunden

„Der Platz im Regal ist vielen Händlern mehr wert als die Ware selbst“, sagt Viola Wohlgemuth, Expertin für Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz bei Greenpeace. Tonnen von Waren, die als Retouren von Kunden zurückgeschickt werden oder zu lange im Regal liegen, vor allem Kleidung und Elektroartikel, würden deshalb voreilig vernichtet. Filmaufnahmen eines bei Amazon im niedersächsischen Wimsen eingeschleusten Greenpeace-Rechercheurs hätten gezeigt, dass der Onlinehändler teilweise neue Ware an sogenannten „Destroy-Stationen“ sortiere und dann von Entsorgungsunternehmen abholen lasse. Auch beim Sportkonzern Nike würden neuwertige Retouren und eigentlich zum Recycling vorgesehene Schuhe einfach vernichtet, hat der NDR gerade aufgedeckt.Dabei verbietet die vor gut einem Jahr beschlossene Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes die Zerstörung von Waren, die noch verwendbar oder gar neu sind. Im Gesetz ist – ein weltweites juristisches Novum – eine „Obhutspflicht“ verankert, die Unternehmen verpflichtet, Waren möglichst lange gebrauchstauglich zu halten, also möglichst nicht zu vernichten.„Man kann Sneaker wiederverkaufen, wenn sie neuwertig sind“, so ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Sei eine Ware nicht mehr akzeptabel und auch nicht reparierbar, könne man sie noch recyceln. Sollten die Vorwürfe gegen Nike zutreffen, so würde der Sportkonzern mit dem Schreddern neuer Schuhe gegen das Kreislaufwirtschaftsgesetz verstoßen, so das Ministerium. Demnach hätte die Abfallvermeidung höchste Priorität.

Von Veronika Csizi

Das Problem ist jedoch: Zwar ist das Gesetz beschlossen, doch es fehlen die Ausführungsverordnungen. Die Behörden in den Ländern können nach juristischer Auffassung des Ministeriums deshalb noch nicht aktiv werden. Aktuell arbeitet das Bundesumweltministerium zunächst an einer Transparenzverordnung, die Unternehmen verpflichten soll, die Behörden über das Ausmaß von Retouren, Warenvernichtung und Recyclingquoten zu informieren. Man müsse erst wissen, wie groß das Problem exakt sei, bevor man es bekämpfen könne, so das Bundesumweltministerium. Ziel sei es in jedem Fall, Retouren zu verringern und in die Kreisläufe zurückzuführen. „Schon im Vorfeld gibt es jedoch viel Bewegung bei Produzenten und Händlern“, so der Ministeriumssprecher. Man beobachte, dass die Wirtschaft sich bereits in Teilen anpasse. Die Transparenzverordnung soll, hofft die Behörde, noch in diesem Jahr unter Dach und Fach sein. Abhängig sei dies jedoch auch von der laufenden Regierungsbildung. Erst danach würde in weiteren Verordnungen festgelegt, wie die betroffenen Unternehmen und Branchen kontrolliert würden und mit welchen Strafen sie bei Verstößen gegen das Gesetz zu rechnen hätten. Kleine Unternehmen sollen ausgenommen bleiben.

Der Umweltorganisation Greenpeace ist das jedoch nicht genug. Sie verlangt stattdessen die sofortige Umsetzung des Gesetzes. „Der Staat verspielt sehr viel Zeit, ohne Kontrollen und Strafandrohungen läuft die Obhutspflicht ins Leere“, sagt Wohlgemuth. Wie groß das Problem der Warenvernichtung insgesamt ist, ist derzeit jedoch unklar. Amazon etwa bestreitet eine Vernichtung mancher Waren nicht, betont jedoch, dass deren Anteil bei etwa einem Promille liege. Retouren „durchlaufen eine strenge Inspektion“, so Libby Johnson McKee, Recommerce-Direktorin bei Amazon. Ein Großteil der zurückgegebenen Artikel werde auch neu gelistet, wenn er den Qualitätsansprüchen entspreche. Ein weiterer Teil werde als Gebrauchtware verkauft, an Restpostenhändler abgegeben oder gespendet. 2020 etwa seien 1,5 Millionen Artikel an lokale Tafeln in Deutschland gegangen.

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Auf Hochtouren. Der Trend zur „Fast Fashion“ steht laut Umweltministerium hinter dem Problem wachsender Retourenquoten. Im Bild: Textilarbeiterinnen in Dhaka.

Der Rest, vor allem beschädigte und hygienisch mangelhafte Produkte, müsste „als allerletzte Option“ auf die Deponie. Auch bei Zalando heißt es, man vernichte nur kleine Teile der Waren. „Da liegen wir bei 0,05 Prozent von allen Artikeln“, sagt Unternehmenssprecher Lars Müller. Umgesetzt hat Zalando im dritten Quartal 2,3 Milliarden Euro. Zalando verkaufe neuwertige Rückläufe unter dem Schlagwort „preowned“ oder über den Shopping Club Zalando Lounge und über Outlets. Manche Waren würden auch gespendet, so Müller. Zudem habe Zalando Teams, die Kleidung fortlaufend anprobierten, um Größentipps zu geben und damit Retouren zu reduzieren. Die Hälfte aller Bestellungen würden dennoch zurückgeschickt, aber 97 Prozent der Retouren gingen wieder zurück in den regulären Verkauf, da ihr Zustand einwandfrei sei.

Auch Nike bestreitet, dass makellose neue Schuhe vernichtet werden, es handle sich um beschädigte Ware, Muster oder Schuhe mit Gebrauchsspuren. Insgesamt werden 2021 weltweit wohl 1,4 Milliarden Sneaker im Gegenwert von gut 56 Milliarden Dollar verkauft. 2012 war es noch die Hälfte.

Hinter dem Problem hoher Retourenquoten und womöglich zu hoher Vernichtungsraten bei manchen Online-Riesen steht laut Bundesumweltministerium vor allem der Trend zur „Fast Fashion“ und zu immer kürzeren Produktzyklen. Fast Fashion, also der Verkauf trendbezogener, billiger Kollektionen in kurzen Intervallen von meist nur wenigen Wochen, sei „einer der größten Klimakiller“, sagt auch Wohlgemuth. Denn die Textilindustrie sei für fast zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich – und damit für mehr als Luftfahrt und Schifffahrt zusammen. Vielen sei auch nicht bewusst, dass die CO2-Belastung gekaufter Textilien in Deutschland zu einem großen Teil in Asien anfalle, wo die Kleidungsstücke hergestellt würden. „Zudem wird aktuell auch nur ein Prozent der Kleidung recycelt“, mahnt Wohlgemuth. Ziel müsse es deshalb nicht nur sein, der Zerstörung von verwendbaren Produkten Einhalt zu gebieten. Wichtig für die Schonung von Ressourcen und Klima sei darüber hinaus, dass am Ende dieses Jahrzehnts mindestens fünf Prozent der Geschäfte in den Innenstädten auf Second Hand und Kreislaufwirtschaft umgestellt seien.

Das Bundesumweltministerium weist auf zwei weitere Probleme hin: Noch bis Jahresende seien Spenden von nicht mehr verkäuflichen Retouren wegen der hohen Zahl liegen gebliebener Kleidung im Lockdown des letzten Winters und Frühjahrs von der Umsatzsteuer befreit. Ab Januar müssten Spender von Waren aller Art wieder Umsatzsteuer zahlen. Die kostenlose Weitergabe von Produkten koste die Unternehmen also Geld. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sei dies wenig sinnvoll. Zudem stelle die Industrie Kleidung zu großen Anteilen mit Fasern her, die nicht oder nur sehr schwer recycelbar seien. Gezielt würden billige Kunstfasern verwendet, in denen bereits eingepreist sei, dass ein Teil davon auf dem Müll lande.

Erschienen im Tagesspiegel am 17.11.2021

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Foto: Imago/NurPhoto

„Auch beim Sportkonzern Nike werden neuwertige Schuhe geschreddert“

Bunte Labels für ein grünes Leben

Wer ökologisch korrekte und sozialverträgliche Produkte kaufen möchte, wird schnell ratlos. Ein Überblick über die wichtigsten Siegel und Kriterien

Blau, grün, eckig und rund: Die Welt der Öko-Siegel ist vielfältig – und inzwischen ziemlich unüberschaubar. Während die Bezeichnungen „Bio“ und „Öko“ bei Lebensmitteln rechtlich geschützt sind, wird man bei den Non-Food-Produkten rasch ratlos. Hier ein Überblick über die wichtigsten Labels und Kriterien:

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Der Blaue Engel, im Jahr 1978 eingeführt, ist das Umweltzeichen der Bundesregierung – und gilt als Vorreiter der Öko-Siegel. Die Kriterien legt das Umweltbundesamt fest. Das Label steht für die Einhaltung ökologischer Kriterien: Schonung von Wasser, Boden, Luft und sparsamen Energie- und Rohstoffverbrauch. Die Produktpalette umfasst nützliche Dinge im Haushalt, zum Beispiel Papier, Batterien, Elektrogeräte, schadstoffarme Lacke und Tapeten oder emissionsarme Polstermöbel.

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Global Organic Textile Standard wird von von der Gots gGmbH vergeben, wo sich diverse, internationale Verbände zusammengeschlossen haben. Das Siegel zeichnet umweltverantwortlich hergestellte Textilien aus, die größtenteils aus biologisch erzeugten Naturfasern bestehen. Die gesamte Produktionskette kommt dabei unter die Lupe: vom Anbau, über fertiges Produkt bis hin zum Vertrieb. Überprüft werden auch die eingesetzten Chemikalien und soziale Mindeststandards.

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Nature Care Products Standard (NCP) ist ein Siegel für Produkte des täglichen Bedarfs, die ohne Gentechnik und frei von Mikroplastik sowie synthetischen Silikonen und Tensiden sind. Dazu gehören Haushaltsartikel, Spielzeuge, Reinigungs- und Düngemittel, die aus möglichst natürlichen Inhaltsstoffen bestehen und die Umwelt nicht unnötig belasten. Soziale Kriterien werden dabei außen vor gelassen. Zuständig ist die Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsethik (GfaW), die das Siegel seit 2015 vergibt.

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Natrue ist eine Kennzeichnung für Naturkosmetik-Produkte, in zwei Stufen unterteilt: Naturkosmetik und Biokosmetik. Die dritte Stufe, Naturkosmetik mit Bio-Anteil, wird seit Anfang 2021 nicht mehr vergeben. Nur Inhaltsstoffe aus natürlichen, naturidentischen und naturnahen Rohstoffen sind zugelassen – und müssen bei Biokosmetik zu mindestens 95 Prozent aus biologischem Anbau stammen. Das Label haben 2008 Marken wie Wala, Weleda, Logocos, Laverana gegründet.

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BDIH Kontrollierte Naturkosmetik, das Siegel des Bundesverbands Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen, steht für Produkte (Make-up, Deo, Shampoo), die ohne synthetische Farb-, Duft- und naturfremde Konservierungsstoffe hergestellt sind. Auch die Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe wird kontrolliert. Tierversuche sind verboten. Seit 2017 zertifiziert BDIH nach dem Cosmos-Standard.

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Leaping Bunny wird seit 1996 von der Cruelty Free International vergeben, einem Netzwerk, zu dem auch der Deutsche Tierschutzbund gehört. Das Siegel kennzeichnet tierversuchsfreie Kosmetik- und Haushaltsprodukte. Dabei dürfen weder Tochterunternehmen im Ausland noch Zulieferer die Ware an Tieren testen. Umwelt- und Sozialaspekte werden dagegen nicht berücksichtigt.

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Nordic Eco Label ist das offizielle Siegel der skandinavischen Länder Finnland, Norwegen, Schweden, Dänemark und Island, das umweltfreundliche und gesundheitlich unbedenkliche Produkte aus über 60 Gruppen auszeichnet, darunter Waschmittel, Kerzen, Investmentfonds, Restaurants, Computer. Alle drei bis vier Jahre wird erneut zertifiziert.

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Grüner Strom Label, seit 1998 vergeben, ist das erste und strengste Ökostromsiegel in Deutschland. Um das Label zu erhalten, müssen Stromanbieter vollständig auf fossile Energiequellen verzichten und in den Ausbau erneuerbarer Energien (Wind- oder Solarkraftwerke) investieren. Sie dürfen nicht an Atom- und Kohlekraftwerken beteiligt sein.

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Ok-power, das Siegel vom EnergieVision-Verein, bescheinigt Stromanbietern einen fairen Umgang mit Verbraucher:innen. Der Strom muss zu 100 Prozent aus Solar-, Wasser- oder Windenergie, Biomasse oder Geothermie stammen. Besonders empfehlenswert ist dabei die Kennzeichnung ok-power plus, die ausschließlich diejenigen Anbieter erhalten, die keinen konventionellen Strom mehr führen.

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Cradle to Cradle, also „von der Wiege zur Wiege“, kurz C2C, wird seit 2010 von einem Non-Profit-Institut aus San Francisco verliehen und steht für konsequente Kreislaufwirtschaft. Entwickelt haben den Ansatz Ende der 1990er Chemiker Michael Braungart und der US-Architekt William McDonough. C2C orientiert sich an den Kreisläufen der Natur, die keinen Abfall zurücklassen, somit müssen die Produkte aus abbaubaren und recyclebaren Materialien bestehen.

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Bio Hotels ist e in Öko-Siegel des gleichnamigen Vereins, der Unterkünfte, Reiseziele und -veranstalter in Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch in Italien oder Spanien zertifiziert. Die Mitglieder verpflichten sich grundsätzlich zum nachhaltigen Wirtschaften. Dazu gehören regionaler Einkauf, Produkte aus biologischer Landwirtschaft, umweltfreundliche Energie- und Abfallkreisläufe. Kontrolliert werden die Bio-Hoteliers jedes Jahr. Aleksandra Lebedowicz

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 14.12.2021