Zehn Jahre Diversity-Konferenz
DIVERSITY

Zehn Jahre Diversity-Konferenz

„Allyship – Gemeinsam für Vielfalt“ lautet das Motto der zehnten Diversity-Konferenz, organisiert von dem gemeinnützigen Verein „Charta der Vielfalt“ und dem Tagesspiegel.

Die Konferenz, die wegen Corona zum zweiten Mal digital stattfindet, richtet sich an Personalverantwortliche aus Wirtschaft und Gesellschaft und ist die einzige Fachkonferenz in Deutschland, die sämtliche Dimensionen von Vielfalt abdeckt. Mehr als 65 Sprecherinnen und Sprecher werden in Keynotes, Masterclasses und Panels darüber sprechen, wie Vielfalt in Unternehmen vorangebracht werden kann.

Die Charta der Vielfalt ist eine Selbstverpflichtung, die bisher von über 4100 Unternehmen und Organisationen in Deutschland unterschrieben wurde, mit dem Ziel, „ein wertschätzendes Arbeitsumfeld für alle Mitarbeitenden zu schaffen – unabhängig von Alter, ethnischer Herkunft und Nationalität, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexueller Orientierung und sozialer Herkunft“. Tsp

— Mehr Informationen unter www.diversity-konferenz.de; www.charta-der-vielfalt.de

Erschienen im Tagesspiegel am 11.11.2021

„Über Rassismus sprechen“

Herr Klein, was verbinden Sie mit dem Wort „Allyship“?
Allyship ist zuerst mal eine Haltung: dass ich mich gegen Diskriminierungen einsetze und mich an die Seite marginalisierter Menschen stelle.

Das heißt, Sie als Schwarzer Mann könnten auch Ally für eine weiße Frau sein?
Ja klar, weil Frauen von strukturellem Sexismus betroffen sind. Es geht darum, alle Arten von Diskriminierung und Ausschlussmechanismen abzubauen. In meiner Arbeit für den Migrationsrat Berlin und für den Bildungsverein „Each One Teach One“ werde ich besonders oft mit rassistischer Diskriminierung konfrontiert, mit Menschen, die wegen rassistischer Vorurteile nicht eingestellt, nicht befördert oder abschätzig behandelt werden. Dass Rassismus ein strukturelles Problem ist, wird noch viel zu wenig anerkannt.

Kann ein Konzept wie Allyship da hilfreich sein?
Ja, denn die Verhältnisse werden sich nicht ändern, sofern sich die weiße Mehrheitsgesellschaft nicht aktiv in den Abbau von strukturellem Rassismus einbringt. Wir brauchen Verbündete, um Rassismus zu beenden, weiße Menschen sind dabei ein zwingender Bestandteil der Lösung. Aber ich sehe auch Probleme ...

Nämlich?
Oft werden Begriffe wie „Diversity“ und „Allyship“ als Feigenblätter benutzt: Seht her, wir tun was, wir sind so vielfältig! Die Firmen beruhigen ihr Gewissen und polieren ihr Image auf, aber es ändert sich nicht wirklich etwas daran, dass Schwarze Menschen und People of Colour bei der Arbeits- und Wohnungssuche benachteiligt sind, im Bundestag und in Chefpositionen unterrepräsentiert sind undsoweiter.

Was müsste also geschehen?
Unternehmen und Organisationen sollten anerkennen, dass es strukturellen Rassismus in ihnen gibt, und gezielt fragen: Wie geht es denn den Schwarzen Menschen und People of Colour bei uns? Was braucht ihr? Warum bewerben sich bei uns nur wenige, warum sind sie nicht in Führungspositionen? Das heißt erstmal die Perspektive der Marginalisierten einzunehmen und nicht die Dominanzperspektive.

Es geht um Augenhöhe ...
... und darum, sich selbst kritisch zu reflektieren. Weiße Menschen sollten ihr Weißsein hinterfragen und sich bewusst machen, dass sie Privilegien haben. Genauso muss ich mich fragen, wann ich aufgrund von sexistischen Vorurteilen Vorteile gegenüber Frauen habe. Wer nicht bereit ist, sich zu hinterfragen, ist auch kein wirklicher Ally.

Zehn Jahre Diversity-Konferenz-2
Foto: Fenja Hardel / Antirassismus

Jeff Kwasi Klein (34) ist Experte für Antirassismus & Diversity und Vorstandsmitglied des Migrationsrats Berlin.

Das Gespräch führte Dorothee Nolte.

Allyship - Gemeinsam für Vielfalt

Zehn Jahre Diversity-Konferenz-3
KAREN SCHALLERT Geschäftsführerin, Handicap Unlimited

„Allyship ist für mich die Verbundenheit und Solidarität mit einer diskriminierten Gruppe, der ich nicht angehöre. In meinem Fall ist es die Gruppe der jungen Frauen mit Behinderung, die nach einem Studium in den Beruf einsteigen. Ich versuche, ihre Herausforderung zu verstehen, und mache mich stark, dass die vorherrschenden Vorurteile abgebaut werden.“

Zehn Jahre Diversity-Konferenz-4
MARCEL ABURAKIA Journalist, Kanackische Welle (DW)

Eine_n gute_n Ally zeichnet die Resilienz aus, gerade in unangenehmen Situationen standhaft zu bleiben und sich nicht von den einfachsten Hürden abschrecken zu lassen. Es muss sich etwas in der deutschen Denke ändern. Wir sind ein Einwanderungsland. Diversität ist nicht die Zukunft, sondern elementarer Teil unserer Vergangenheit.

Zehn Jahre Diversity-Konferenz-5
STEFAN KIEFER Geschäftsführer, Charta der Vielfalt e.V.

„Miteinander reden statt übereinander reden – das ist ein Kernelement von Allyship. Wir sollten Menschen und Organisationen zugestehen, dass sie beim Themenfeld Diversity noch am Anfang stehen und lernen müssen. Die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt und das öffentliche Bekenntnis, sich mit Vielfalt in der eigenen Organisation auseinanderzusetzen, ist dafür ein guter Beginn.“

Zehn Jahre Diversity-Konferenz-6
NATALYA NEPOMNYASHCHA Gründerin „Netzwerk Chancen“

Ein*e gute*r Ally zu sein bedeutet für mich, die eigenen Privilegien zu reflektieren und anzuerkennen – auch was die soziale Herkunft betrifft. Wir von „Netzwerk Chancen“ setzen uns unter anderem dafür ein, dass wir gute Gemeinschaftsschulen haben, an denen jedes Kind unabhängig von seiner sozialen Herkunft aufsteigen kann.“

Zehn Jahre Diversity-Konferenz-7
ANNE CHEBU Moderatorin, Buchautorin

„Diskriminierungen zu erleben ist das eine, das andere ist es, damit alleine gelassen zu werden. Allyship bedeutet da zu sein, zuzuhören, zu unterstützen und an sich selbst zu arbeiten. Ein Ally ist sensibel und erkennt Diskriminierungen. Ergreift das Wort, auch wenn ich nicht dabei bin. Hört zu und nimmt mich ernst.“

Zehn Jahre Diversity-Konferenz-8
WIEBKE ANKERSEN Geschäftsführerin Allbright Stiftung

„Männer können Allies für Frauen sein, indem sie die Hälfte der Haus- und Familienarbeit übernehmen. Und sie können ,Nein’ sagen, wenn sie in Jurys, in Panels, in Teams eingeladen werden, in denen es keine Frau gibt, und statt dessen eine qualifizierte Frau vorschlagen. Auf diese Weise ändert sich die Zusammensetzung solcher Gremien sehr schnell.“

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 10.11.2021