Neue Plattformen für ko-kreatives Wissen
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BERLIN SCIENCE WEEK

Neue Plattformen für ko-kreatives Wissen

Die nachhaltige Transformation hat ein Kommunikationsproblem. Ohne ein tiefgreifendes Verständnis der sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhänge, in denen Lösungen wirken sollen, kommen unsere Bemühungen zu spät. Die Wissenschaft muss lernen, zuzuhören, wenn sie gehört werden will. Kunst und Gestaltung können dabei helfen.

„Hört auf die Wissenschaft!“ ist eine zentrale Forderung der „Fridays for Future“- Bewegung.

TEXT Timothée Ingen-Housz & Paola Perrin de Brichambaut, Universität der Künste Berlin

Wissenschaftler:innen haben den anthropogenen Charakter der Klimakrise längst nachgewiesen und bieten technologische Lösungen zur Emissionsreduzierung an. Sie haben jedoch noch keine Wege zu ihrer demokratischen Umsetzung gefunden. Diese Wege sollten weitreichende soziale, politische und wirtschaftliche Unruhen vermeiden. Die Verlagerung des Schwerpunkts vom „was zu tun ist“ zum „wie es zu tun ist“ eröffnet neue Fragen und Herausforderungen – aber auch neue Möglichkeiten.

Die Umgestaltung unserer Wirtschaft und Gesellschaft mit dem Ziel der CO2-Neutralität ist ein gewaltiges technologisches, politisches und soziales Projekt. Es ist noch nicht ausreichend als komplexer Kommunikationsprozess beschrieben und umgesetzt worden. Um ihre Transformationslösungen zu optimieren, müssen Wissenschaftler:innen lernen, über disziplinäre Grenzen hinweg zu denken und zu kommunizieren. Sie müssen auch ihr Verständnis für dasn Wissen erweitern, das sie für die Umsetzung von Lösungen benötigen. Dieses Wissen kann auch aus Quellen stammen, die den Natur- und Ingenieurwissenschaften im Allgemeinen fernstehen. Um die Frage zu beantworten, „wie“ wir Lösungen umsetzen, müssen wir wissen, „wo“ und „wann“ Transformationsprozesse angestoßen werden und „wer“ daran beteiligt sein wird. Neue Mobilitäts- und Energielösungen mögen weit in die Zukunft blicken, aber sie können nur mit einem soliden Verständnis der aktuellen Lage entstehen. Unsere derzeitige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist in einem komplexen Geflecht aus Gewohnheiten, Eigeninteressen, Bedürfnissen und materiellen Bedingungen verankert. Sie ist auch in den Ängsten und Unsicherheiten eines breiten Spektrums von Akteur:innen und Stakeholder:innen verwurzelt, die von dem bevorstehenden Wandel unmittelbar betroffen sind. Wenn wir ihre Perspektiven nicht berücksichtigen, verlieren wir das Gesamtbild aus den Augen. Bürger:innen, die öffentliche Verwaltung, der private Sektor, die Zivilgesellschaft, Fachleute, Handwerker:innen, Unternehmer:innen, Politiker:innen, Investor:innen, Innovator:innen und Pädagog:innen sind Expert:innen für ihr Leben, ihre Praktiken und in ihren Bereichen. Ihre gelebte Erfahrung sollte als reiche Ressource für die Planung der Umsetzung von Transformationsprozessen dienen. Diese Stadttransformation umfasst zum Beispiel die Einrichtung von Fahrradwegen in Stadtzentren, die Verwendung nachhaltiger Materialien in großen Bauprojekten, die Installation von Wärmepumpen, die Nachverdichtung von Wohnräumen oder die Begrünung des Straßenraums. Nicht jede:r wird die Herausforderungen und Chancen, die auf uns zukommen gleich betrachten. Nicht jede:r wird durch die gleichen Zukunftsaussichten motiviert sein. Nicht jede:r wird die gleiche Sichtweise vertreten oder die gleichen Risiken akzeptieren. Jede Stakeholdergruppe muss miteinbezogen werden, um die Übergangsschritte für die effektive Umsetzung neuer Formen der Fortbewegung, des Bauens, des Wohnens, des Konsums, des Handels und der Arbeit vorzubereiten. Dies gilt insbesondere in Betracht auf die vielen Herausforderungen, die zukünftig auftreten können.

Teilhabe wird in der zeitgenössischen Praxis der Stadtplanung als ein wichtiges Verfahren angesehen, um öffentliche Unterstützung zu gewinnen.  Dabei werden Schlüsselakteur:innen zusammengebracht, die für eine spürbare Transformation unerlässlich sind. Teilhabe kann auf unterschiedliche Weise gestaltet werden, um Stakeholder:innen in die Definition des Transformationsproblems miteinzubeziehen. In diesem Zusammenhang gilt die Entwicklung prototypischer „Übergangsszenarien“ als wirksamer Ansatz, um ko-kreative Beziehungen einzugehen. Diese Mitwirkung muss als fortlaufender Prozess betrachtet werden, in Anlehnung an den Begriff, den Horst Rittel und Melvin Webber als „wicked problems“/„vertrackte Probleme“ bezeichnet haben. Jede Lösung kann eigene unvorhersehbare Probleme mit sich bringen. Angesichts dieser mit ihnen einhergehenden „Vertracktheit“ können Transformationsprojekte Konflikte auslösen, aber auch neue Chancen für soziale, wirtschaftliche und technologische Innovationen eröffnen. Die an den Transformationsbemühungen beteiligten Akteur:innen sind am besten in der Lage, unerwartete Wendungen zu erkennen und ihre Erfahrungen aus erster Hand zu vermitteln.

In Anbetracht der Notwendigkeit, verschiedene Perspektiven und die Unvorhersehbarkeit von Transformationsprozessen zu berücksichtigen, plädieren wir für die Einrichtung einer Plattform, die die kontinuierliche und gemeinsame Schaffung von Wissen ermöglicht. Diese Plattform sollte die Komplexität der Koordinationsbemühungen widerspiegeln und ordnen. Kunst und Gestaltung können auf Themen aufmerksam machen und das Publikum dafür sensibilisieren. Sie können auch dabei helfen, Umsetzungsprozesse in ihrer sich ständig verändernden Komplexität zu modellieren. Gestalter:innen und Künstler:innen können mit ihrer jahrzehntelangen Praxiserfahrung mit Co-Design-Workshops, Interface Design, Pre-Visualisierungsverfahren und immersiven Simulationen die Teilhabe anregen. Sie können auch Methoden entwickeln Erkenntnisse aus diesen Teilhabeprozessen zu entnehmen und sie an politische Entscheidungsträger:innen und wissenschaftliche Kreise weiterzugeben. Diese Kommunikationsarbeit muss in den Mittelpunkt unserer Forschung gestellt werden, um die bevorstehende Transformation zu unterstützen. So erhöhen wir unsere Chancen, unerwartete Krisen zu bewältigen, und dabei die langfristigen Ziele im Auge zu behalten. Ohne kreative Gestaltungslösungen verpassen wir womöglich wertvolle Gelegenheiten, Komplexität auf transformative Weise zu vermitteln. Die Beteiligung der Universität der Künste Berlin am entstehenden Einstein Center Climate Change and Public Policy of Human Settlements* ist diesem Bestreben verpflichtet, in enger Zusammenarbeit mit Forschungspartnern der Technischen Universität Berlin, des PIK, der Charité und vielen anderen.

* angegliedert an das Climate Change Center Berlin Brandenburg

Programmtipps

4. NOV 18.00, CAMPUS, in Person, Deutsch
Climate:lab #4
Let’s Talk
Climate Change Center

4. NOV 11.30, CAMPUS, in Person, Deutsch
Torfitz. Das Planspiel zum Strukturwandel
Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS)

5. NOV 18.00, CAMPUS, in Person, Deutsch
Zürich – Berlin. Gemeinsam weiter für die nachhaltige Entwicklung
Zurich meets Berlin

5. NOV 19.30, CAMPUS, in Person, Deutsch
Knowledge Exchange – Gemeinsam Globale Herausforderungen Angehen
Berlin University Alliance

6. NOV ab 13.00, POP Kudamm, in Person, Deutsch | Englisch
Celebrating the Diversity of Science
Paul-Drude-Institut, Forschungsverbund e.V.

8. NOV 19.00, Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund, hybrid, Deutsch
Prognosen für Mensch und Erde. Welches Wissen brauchen wir, um zu handeln?
Max-Planck-Gesellschaft

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Timothee Ingen-Housz lehrt Medienkonzeption und -dramaturgie an der UdK Berlin und entwickelt derzeit Szenario-Co-Design-Methoden mit Forscher:innen der TU, der Charité, des PIK, der Universität Potsdam und einer Vielzahl von gesellschaftlichen Akteuren aus dem privaten und öffentlichen Sektor.





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Paola Perrin de Brichambaut ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der UdK Berlin. Sie war an der Entwicklung einer Co-Design-Methode beteiligt, um die Konsultation von Interessengruppen und Bürger:innen bei der klimabezogenen Transformation auf Berliner Ebene zu unterstützen.