Ein unmögliches Gespräch mit Noam Chomsky
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BERLIN SCIENCE WEEK

Ein unmögliches Gespräch mit Noam Chomsky

Zwischen den Alexas in unserer Küche, maschinellen Lernprogrammen zur Bewässerung von Ackerflächen und Friseurterminen mit Google Duplex leben wir zunehmend in einer Welt, die uns eine Zukunft der Interaktion mit virtuellen, computerprogrammierten Entitäten verspricht. Wie wäre es also, wenn man mit einem der berühmtesten Intellektuellen unserer Zeit kommunizieren könnte? Ein Versuch!

Künstliche Intelligenz (KI) ist allgegenwärtig. Wir begegnen ihr in Artikeln über die Zukunft der Arbeit und auf Plakaten, die verantwortungsvolle KI für das Gesundheitswesen versprechen. Sie findet sich in akademischen Debatten über die Ethik von maschinellen Entscheidungsmechanismen und bei Youtubern, die das Thema Singularität umtreibt.

TEXT Sandra Rodriguez, Kreativdirektorin und Produzentin für interaktive Kunstwerke sowie Soziologin für neue Medientechnologie

Ob real oder inszeniert, wir sind umgeben von Versprechungen über eine unmittelbar bevorstehende, unvermeidliche Zukunft, in der KI und maschinelle Lernwerkzeuge ganz selbstverständlich Teil unseres sozialen Gefüges werden. Doch derart vage Versprechungen gehen auch mit unvermeidlichen Dilemmata einher: Welche Chancen, Tücken und Gefahren birgt KI wirklich? Sollen wir uns auf neue Entwicklungen einlassen? Was wissen wir über sie? Wie wird KI unsere Arbeit, Freizeit und Wirtschaft verändern? Und wenn KI angesichts des schnellen Fortschritts virtueller Avatare immer menschlicher klingt und anmutet, lassen wir uns dann überzeugen, dass wir es mit echten Menschen zu tun haben? Wir haben bereits vage, von der Fiktion inspirierte Vorstellungen. Aber sie beeinflussen auch unsere Hoffnungen, Ängste und falschen Erwartungen darüber, was KI werden soll und kann. „CHOM5KY vs CHOMSKY: A playful conversation on Artificial Intelligence (AI)“ ist ein interaktives und immersives Erlebnis, das Besucher:innen dazu einlädt, die Mythen, Hoffnungen und Versprechen rund um KI zu entlarven.

Sicherlich könnten sich Akademiker:innen darüber beklagen, dass der breiten Öffentlichkeit ein „ausreichendes Verständnis für KI fehlt“. Aber das wäre nicht fair: Das Konzept der KI ist immer noch theoretisch umstritten (mit Debatten darüber, wie es definiert werden sollte und was es umfassen sollte). Außerdem ist KI keine einzelne Technologie, sondern ein Sammelbegriff für verschiedene Technologien, von denen einige längst Eingang in unseren Alltag gefunden haben: KI ist Bestandteil unserer digitalen Assistenten und von Algorithmen, die Prognosen über Jobchancen treffen. Sie lässt uns Deepfakes von Politikern und Schauspielern erstellen. Und während die großen Technologieunternehmen darauf verweisen, dass KI „Zeit braucht, ihr volles Potenzial zu entfalten“, werden überall auf der Welt Geisterarbeiter angeheuert, um die Rolle von Chatbots auf Websites zu mimen (ein Phänomen, das als Pseudo-KI bekannt ist). Andere werden angeheuert, um Bilder für die Computer Vision zu beschriften oder Fehler in der natürlichen Sprachverarbeitung (NLP) auszubügeln. Mit anderen Worten: Menschen imitieren Bots, damit die KI die Erwartungen erfüllen kann, die andere Menschen an sie haben.

Diese Verwirrung verschafft künstlicher Intelligenz den Nimbus, geheimnisvoll, spezialisiert und nur schwer zu greifen zu sein. Doch wenn wir nicht verstehen, was KI ist, wenn wir ihre Versprechungen nicht verstehen, wie können wir dann an der Gestaltung ihrer Zukunft mitwirken? Höchste Zeit, KI zu entmystifizieren. Höchste Zeit, uns an der Konversation zu beteiligen.

Wir spielen Roboter: Ich gebe vor, ein Computer zu sein, der meinen Job übernommen hat ...
Wir spielen Roboter: Ich gebe vor, ein Computer zu sein, der meinen Job übernommen hat ...

CHOM5KY vs CHOMSKY: Ein berühmter Kopf und seine Nachbildung

Bei der Auseinandersetzung mit sozialen Themen ist die Kunst ein gutes Mittel, gängige Vorstellungen auf den Boden der Tatsachen zu holen. Kunst kann wissenschaftliche Entwicklungen für ein breiteres Publikum greifbar machen. Sie kann dem Einzelnen helfen, allgemeine Konzepte zu begreifen, und gleichzeitig Fragen zu komplexen Themen aufwerfen. „CHOM5KY vs CHOMSKY“ ist eine immersive, von virtueller Realität und KI geleitete Erfahrung, die genau das erreichen will: Eine Diskussion über KI zu eröffnen, indem sie das Publikum einlädt, zu interagieren, zu spielen und KI-Systeme zu testen.

Die technologischen Entwicklungen von heute sind eng mit unseren gesellschaftlich konstruierten Vorstellungswelten verbunden. Indem wir Besucher:innen einladen, einen Blick unter die Oberfläche von KI zu werfen, ebnen wir Wege, um uns unsere kollektive KI-Zukunft neu vorzustellen. Im Falle von KI hat sich beispielsweise eine starke Vorstellungswelt um die Möglichkeit gebildet, einer „lebensechten“ Entität zu begegnen und mit ihr zu interagieren, die eine menschliche Präsenz so gut imitieren kann, dass man sie für eine echte Person hält – manchmal werden solche Entitäten als Roboter dargestellt. In anderen Fällen bleiben sie virtuell. Man kann hier an populäre Science-Fiction-Bücher und -Filme denken – an Hollywood-Filme wie A.I., Ex Machina oder Her. Auch im realen Leben werden im Rahmen von Kunstprojekten zunehmend virtuelle Werkzeuge und KI eingesetzt, um dem Publikum das Gefühl zu geben, mit längst Verstorbenen zu sprechen – so zum Beispiel der digital auferstandene Salvador Dalí, der Museumsbesucher:innen einlädt, von dem künstlichen Dalí mehr über sein Leben zu erfahren, oder ähnliche Entitäten wie mit KI neu erschaffene Versionen von Audrey Hepburn, JFK oder Nixon.

„CHOM5KY vs CHOMSKY“ lockt die Besucher:innen mit einem ähnlichen Versprechen. Was wäre, wenn wir einen der berühmtesten Köpfe unserer Zeit nachbilden könnten? Was wäre, wenn man mit ihm sprechen, mit ihm interagieren und komplexe Begriffe wie die Grenzen von GAN, NLP und maschinellen Lernsystemen hinterfragen könnte?

Auf den Spuren von Noam Chomsky

In meiner früheren Arbeit als Künstlerin habe ich Technologie oft zweckentfremdet, um Mythen zu entlarven – ich habe das Surfverhalten eines Online-Publikums verfolgt, um auf das Thema Datensammlung aufmerksam zu machen, und VR eingesetzt, um unsere Wahrnehmung der Realität zu ergründen. Das Ziel von „CHOM5KY vs CHOMSKY“ besteht darin, mithilfe künstlicher Intelligenz über künstliche Intelligenz zu sprechen. Es galt also, einen Mittler zu schaffen, der über KI sprechen und gleichzeitig komplexe verwandte Themen erörtern kann: Intelligenz, freier Wille, Kreativität oder auch maschinell erlernte Vorurteile.

„In der aufstrebenden Kognitionswissenschaft
befinden wir uns derzeit in so etwas wie einer prägalileischen Phase. Wir wissen ebenso wenig wie Galileo, wonach wir eigentlich suchen. Daraus lässt sich eine Menge lernen.“

Noam Chomsky im Interview mit Yarden Katz – the Atlantic
Interviewed by Yarden Katz – the Atlantic

Unser KI-Wegweiser, „CHOM5KY“, wurde auf den Spuren eines weltberühmten Intellektuellen aufgebaut, der für seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem menschlichen Geist bekannt ist – Professor Noam Chomsky. Chomsky ist eine öffentliche Figur. Der berühmte Linguist, der für seine politischen Beiträge, Hunderte von Büchern und Reden bekannt ist, wurde in den letzten 60 Jahren zu allen möglichen Themen befragt und hat Interviewanfragen von Journalist:innen, Student:innen, Landwirt:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen gleichermaßen angenommen. seine Vorträge, Reden und Debatten wurden aufgezeichnet, redigiert, transkribiert und hochgeladen, was ihn zu einem der am meisten digitalisierten lebenden Intellektuellen macht. Darüber hinaus ist Chomsky auch ein Sozialkritiker und politischer Aktivist, der uns vor den Gefahren großer Technologiekonzerne warnt, wenn diese unsere menschliche Fähigkeit zur Kreativität einschränken. Darüber hinaus ist er vielleicht am besten für seine Theorie der natürlichen Sprache bekannt, eine Theorie, die teilweise die „natürliche Sprachverarbeitung“ (NLP) inspiriert hat, also die maschinelle Verarbeitung von Sprache und Text, die uns die Interaktion mit Chatbots erst ermöglicht. Mit anderen Worten: Chomskys umfangreicher Korpus digitaler Spuren schafft einen Datenpool, der umfassend genug ist, um darauf ein KI-System aufzubauen. Aber auch der Inhalt seiner digitalen spuren enthält wichtige Lektionen über sein Vermächtnis: Er ist ein ideales Fallbeispiel und ein idealer Wegweiser, um uns bei der Entmystifizierung von KI zur Seite zu stehen.

Systeme schaffen, um Systeme zu entlarven

Das Erlebnis „CHOM5KY vs CHOMSKY“ ist eine Koproduktion zwischen dem „National Film Board of Canada (NFB)“ und dem Berliner Studio „SCHNELLE BUNTE BILDER“. Das NFB ist die staatliche Filmbehörde Kanadas. Ihre Aufgabe ist es, Kunstprojekte zu unterstützen, die gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen. „SCHNELLE BUNTE BILDER“ ist ein umtriebiges Kreativstudio aus Designern:innen, Künstlern:innen, Entwicklern:innen und Innovatoren:innen, die preisgekrönte Museumsausstellungen, großformatige Installationen und digitale Kommunikationsstrategien geschaffen haben, die die Mediennutzung im Kontext des Inhalts und des Raums, mit dem sie verbunden sind, hinterfragen und überdenken.

Spiel der Sinne: Strukturen aus der Natur übernommen und doch völlig neu zusammengesetzt.
Spiel der Sinne: Strukturen aus der Natur übernommen und doch völlig neu zusammengesetzt.

Wir haben unsere Kräfte in dieser internationalen Zusammenarbeit gebündelt, um ein Erlebnis schaffen zu können, das für ein vielfältiges und breites Publikum zugänglich ist. Wir wollten einen Raum schaffen, der die Kreativität und Neugier der Besucher:innen herausstellt, um sie zum Nachdenken über Fragen anzuregen, die unsere gemeinsame Zukunft mit künstlicher Intelligenz bestimmen. Gleichzeitig wollten wir sicherstellen, dass sie ihren Besuch als so ungewöhnlich, kreativ und unterhaltsam empfinden, dass sie sich bereitwillig Gedanken darüber machen, wie sie sich die Zukunft der Interaktion mit KI und virtuellen Entitäten vorstellen möchten.

Das Ergebnis ist eine Multi-User-Erfahrung, bei der die Besucher:innen mit Virtual-Reality-Headsets eine KI-Welt betreten. Begrüßt werden sie von „CHOM5KY“, der KI-Entität, die ihnen als Wegweiser dient. Das Erlebnis vereint Spracherkennung (STT), das NLP-Sprachmodell GPT-2 und die Unreal-Spiele-Engine, um einen lebensechten Raum zu schaffen, in dem die Besucher:innen auf eine KI treffen, mit ihr sprechen und spielen können, aber auch ständig auf die Anwesenheit der anderen Besucher:innen und ihrer Verbindungen untereinander aufmerksam gemacht werden. Bei der Erkundung dieser Welt werden verschiedene Spielformen in zunehmendem Maße eingesetzt, um den Besucher:innen zu helfen, ihr Verständnis für Folgendes zu verbessern: a) wie KI nur auf Basis von Daten funktioniert; b) wie das NLP-System einen Satz versteht und ihn einer Antwort zuordnet; c) wie sich die Änderung von Parametern eines Systems auf dessen Ergebnisse auswirken kann und d) philosophische Fragen über das, was wir über menschliche Intelligenz wissen und wo sich diese mit der von Maschinen überschneiden kann oder nicht.

„CHOM5KY vs CHOMSKY“ ist natürlich kein Deepfake von Professor Noam Chomsky. Es soll Besucher:innen weder Angst machen noch sie für KI begeistern. Wir möchten, dass Menschen Fragen stellen, neugierig werden, wie KI funktioniert, und erkennen, wo sie sich neue Möglichkeiten für die Anwendung im eigenen Leben vorstellen können.

Ein Prototyp für das Erlebnis wurde während des Sundance New Frontier Festivals 2020 vorgestellt.

„Die Welt ist ein äußerst rätselhafter Ort. Es gibt überall Rätsel, wo man nur hinschaut. Wenn man nicht bereit ist, sich Rätsel aufgeben zu lassen, wird man nur zu einer Kopie des Verstandes eines anderen.“

Noam Chomsky

Programmtipps

4. – 20. NOV ab 12:00 - 20:00, KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst, in Person, Deutsch | Englisch
CHOM5KY vs CHOMSKY: A Playful Conversation on AI
SCHNELLE BUNTE BILDER

1. NOV ab 17.00, Max-Delbrück Zentrum für Molekulare Medizin, in Person, Englisch
Vernissage: The Gene Project, Summet Rohilla
Max-Delbrück Zentrum für Molekulare Medizin

2. NOV 19.00, Zeiss-Großplanetarium, in Person, Englisch
Einstein in the Dome: Project KopfKino
Stiftung Planetarium Berlin, Einstein-Stiftung Berlin

5. NOV 9.30, CAMPUS, in Person, Englisch
Artificial Intelligence: Ethical Questions
Cluster of Excellence – Science of Intelligence

4. NOV 17.00, Studio Roman Lipski, in Person, Deutsch | Englisch
Quantum Physics Meets Contemporary Artistic Practice
Humboldt-Universität zu Berlin

7. NOV ab 14.00, AI Campus, in Person, Englisch
AI, Future, EUROPE, merantix
ETH Zürich

Ein unmögliches Gespräch mit Noam Chomsky-4

Sandra Rodriguez, Ph. D. ist Kreativdirektorin und Produzentin für interaktive, VR-, XR-, KI- und immersive Kunstwerke sowie Soziologin für neue Medientechnologie. Ihre Arbeit als Regisseurin und Produzentin wurde mehrfach ausgezeichnet. Ihre jüngsten Arbeiten reichen von KI-Tanzperformances über Multi-User-XR-Theater bis hin zu groß angelegten KI-Ausstellungen. Seit 2017 ist sie Dozentin am Massachusetts Institute of Technology, wo sie mit Hacking XR den ersten offiziellen Kurs des MIT für immersive Mediengestaltung konzipiert hat.